Rezension Nr. 40

Amitav Ghosh – The Nutmeg´s Curse – Parables for a Planet in Crisis
Sachbuch – John Murray – 2021 – ISBN 978-1-529-36943-4

Sprache: Englisch

Wie lässt sich so ein dichtes Buch in ein paar Zeilen abkürzen?

All die weltpolitischen Ereignisse der letzten fast 600 Jahre werden benannt und in Zusammenhang gebracht – ausgehend von der Covid Pandemie, Black Lives Matter, der sogenannten Migrationskrise, Militarismus, vor allem aber die Dynamiken der Klimakrise.

Als Ursache für ebendiese sieht Ghosh die jahrhundertealte geopolitische Weltordnung, die durch den westlichen Kolonialismus konstruiert wurde. So zeichnet Ghosh anhand der Muskatnuss eine Parabel für heutige Kriege und die Machtstrukturen der heutigen Welt.

Ghosh argumentiert, dass aufgrund der ab dem 16. Jahrhundert von Europa ausgehenden Mechanisierung der Welt und des Menschen, die allem ihren spirituellen Wert abspricht, um sie ausbeuten zu können, der Kern des Übels liegt. Laut diesem mechanistischen Weltbild existiert die Welt als passiv und ihre Ressourcen seien nur dafür da, vom Menschen ausgebeutet zu werden – unsere heutige „rationale“, aufgeklärte Weltsicht. Die heutigen Machthierarchien und die Ausbeutung der Welt setzt Ghosh in den Zusammenhang der Weltgeschichte und legt für jedes Kapitel ein Schwerpunktthema fest.

„The Nutmeg´s Curse offers a sharp critique of contemporary society and speaks to the profoundly remarkable ways in which human history is shaped by non- human forces.“ So liest es sich im Klappentext.

Und das gelingt Ghosh. Ich habe selten ein so dichtes Buch gelesen. Fussnoten, Bibliographie und Index umfassen 80 Seiten! Anhand der Bibliographie wird den Menschen, die das Buch lesen, die Möglichkeit gegeben, viel tiefer ins Thema einzutauchen. Das ist grossartig und werde ich sicher auch tun. Immer wieder dachte ich: Ja, genau!!! WOW!!! Und einmal sind mir fast die Tränen gekommen – in der Bewusstwerdung, wie sehr wir (europäisch sozialisierten) Menschen hier doch Kinder dieses furchtbaren, ausbeuterischen Weltbildes sind und wie auch ich es verinnerlicht habe, dass die Welt einfach „ist“. Nicht aktiv, nein, Menschen sind ja schliesslich die einzigen, die Sprache und Gefühle haben.

Immer wieder stellt Gosh indigenes Wissen in Kontrast zum westlichen Weltbild. Es ist schön zu lesen, dass er eine grosse Wertschätzung vielen Menschen entgegen bringt, die nicht westlich sozialisiert wurden und die ihr traditionelles Wissen erhalten haben.

Das einzige, was mir am Schluss zu denken gegeben hat: durch die Masse an Zusammenhängen, die gemacht werden, bleibt ein bisschen der Eindruck der Oberflächlichkeit. So werden unglaublich viele spannende Themen wie z.B. die Einhegungen in Europa, die Konterbewegung der Allmende, nur mit 2-3 Sätzen behandelt. Sicher ist es nicht möglich, zu all den erwähnten Bereichen viel mehr zu schreiben, sonst wäre es ein Opus Magnum geworden. Manchmal hätte ich mir nur mehr Hintergrund gewünscht.

Es ist ein Buch, das ich unbedingt empfehlen kann und das bei mir noch lange nachhallt.

Während des Lesens hatte ich stets ein Album im Kopf, für mich der Soundtrack zum Buch:
Kae Tempest „The Book of Traps and Lessons“ – wahnsinnig tolles Album. Würde das Buch verfilmt werden, „Exterminate all the brutes“ von Raoul Peck wäre die Verfilmung eines der Kapitel.