Rezension(en) Nr. 9

Und hier ist die Nr. 9!
Diese Woche bekommst Du gleich drei Rezensionen. Ein Buch – drei verschiedene Stimmen dazu. Um Dir danach auch selber eine Meinung zu bilden, komm in der Lotte vorbei und leih es aus.

mawil. Kinderland – Eine Kindheit im Schatten der Mauer.
reprodukt 2014 ISBN 978-3-943143-90-4

Ein Comic, das den Alltag von Mirco erzählt. Eine Kindheit (oder fast schon Jugend?) in Berlin- dem Ostteil der Stadt- im Jahre 1989. Völlig unaufgeregt ist es eine Innenansicht der DDR, der pyramidenförmigen Milchtüten, der FDJ- Hemden und Pioniershalstüchern. Es geht um die wöchentlichen Sirenen, um die Kirche und um PingPong, immer wieder PingPong. Es ist eine Alltagsgeschichte, die erfrischend leicht ist und eine*n immer wieder zum Schmunzeln bringt. Dabei ist der Zeichenstil von mawil bunt und unterhaltsam und lädt zum genauen Hinschauen ein. Und „Mürgo“ ist einfach wunderschön gezeichnet!Es ist ein unterhaltsames Buch für junge (und auch ältere) Menschen, die einen kleinen Einblick ins Leben eines Jungen aus der DDR werfen wollen. Das angehängte kleine DDR- Glossar hilft bestimmte Dinge aus dem Comic zu verstehen. Oder hättest Du gewusst was „die Firma“ ist?

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Ostberlin im Sommer 1989: Der 7. Klässler Mirco Watzke muss sich mit allerlei Problemen rumschlagen. Die kleine Schwester nervt, aufgrund einer Strassenumleitung kommt er zu spät zur Schule, die älteren Mitschüler ärgern ihn und beim Pingpong Rundlauf fliegt er immer als erster raus. Zum Glück ist da der Neue aus der Parallelklasse, mit dem sich Mirco nach und nach anfreundet und zusammen erleben sie so einiges.Der Comic, der in den letzten Tagen der DDR spielt, dreht sich oft um Pingpong-Turniere auf dem Schulhausplatz. Auf den ersten Blick könnte die Geschichte an einem x-beliebigen Ort spielen. Doch immer wieder, fast beiläufig, sind da Hinweise auf die DDR und ihr nahendes Ende. Seien es die Eltern, die sich abends tuschelnd über „Auswanderungen“ unterhalten oder die Pionierleiterin Frau Krantz, die heimlich westdeutsche Magazine liest. Im Glossar hinten im Buch sind die diversen DDR Begriffe einfach und verständlich erklärt.
Kinderland ist eine gelungene „coming-of-age“ Geschichte, liest sich sehr leicht und eignet sich gut für einen Nachmittag auf dem Sofa. Der Comic ist auch als Lektüre für Jugendliche geeignet. 

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Ich als ostdeutsch sozialisierte Person konnte beim Lesen des Comics wieder eintauchen in das Lebensgefühl meiner DDR-Jahre mit all ihren Realitäten, Absurditäten, Trivialitäten und Dramatiken. Mawil ist in dem Comic in Form einer Coming-of-age-Story ein wunderbar vielschichtiges Abbild des Lebensgefühls der damaligen Zeit gelungen. Zwänge und Ausbruch in Jugend zwischen Freiheitssuche und -unterdrückung – Ping Pong und Fahnenapell, Völkerball und Mangelwarendealerei, Westfernsehen und Altpapiersammlung. Dabei musste ich sehr oft lachen, da Mawil einfach einen super-charmant-trockenen Humor hat – beim Schreiben wie Zeichnen.Und für alle nicht-„Ossis“ gibt’s ein super bebildertes Glossar im Anhang das alle Unklarheiten beseitigt.