Rezension Nr. 12

Heute bekommst du gleich zwei Rezensionen zum selben Buch:

Kübra Gümüşay – Sprache und Sein

Hanser Verlag – 2020 – ISBN 978-3-446-26595-0

Dieses Buch ist Liebe (platter Satz, aber so fühlt es sich für mich an!). Danke Kübra Gümüşay, dass Sie diese Worte niedergeschrieben, dieses Buch und die Inhalte so wunderbar formuliert haben. Ich bin sprachlos.

«Wie können wir als Gesellschaft über unsere Probleme sprechen, ohne den Hass der Rechten zu nähren- respektvoll, wohlwollend, ohne Angst vor Fehlern? Wie können wir frei sprechen?» 

Dies ist die Ankündigung, die auf der Rückseite des Buches zu lesen ist. Gümüşay widmet sich in 10 Kapiteln einzelnen Aspekten der Sprache, Analysen, Strategien der «Rechten» und dem Blick nach vorn. Dabei ist es so gut lesbar wie ein unterhaltsamer Sommerabendroman. Ich bin förmlich durch die nicht ganz 200 Seiten geflogen.

Was für ein tolles Buch, das eine so gute Gesellschaftsanalyse ist, dass ich es jeder*m zum Lesen in die Hand drücken möchte. Ja, das Buch wurde sehr gehypt- don`t trust the hype. Aber in diesem Fall – unbedingt dem Hype trauen! Es lohnt sich. Gümüşay schafft es, die schwierige Materie so gut und hoffnungsvoll zu analysieren und wiederzugeben, dass mir das Herz aufging beim Lesen.

«Denn für ein wirklich gemeinsames Nachdenken über unsere gemeinsame Zukunft braucht es vor allem das: Wohlwollen zwischen Menschen, die sich prinzipiell den gleichen Werten verschrieben haben. Kritisches Denken bedeutet nicht, sich über die Kritisierten zu erheben. Wer wohlwollend kritisiert, der öffnet seinem Gegenüber eine Tür, durch die er auf einen zugehen kann»

Unbedingt lesen, es ist eine grosse Freude!

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Wie können wir als Gesellschaft über unsere Probleme sprechen, ohne den Hass der Rechten zu nähren – respektvoll, wohlwollend, ohne Angst vor Fehlern? 

Dieser Frage geht Kübra Gümüşay in ihrem Buch „Sprache und Sein“ nach. Sie schreibt von ihren persönlichen Erfahrungen in vier verschiedenen Sprachen zuhause zu sein und wie es sich anfühlt, wenn ein bestimmtes Wort nicht übersetzt werden kann, da es keine treffende Bezeichnung in der anderen Sprache gibt.

Sie beschreibt wer in der Gesellschaft die Benannten sind und wer die Macht hat eben diese zu benennen, wie sich das auf das Individuum und somit wieder auf die ganze Gesellschaft auswirkt. Gümüsay ruft dazu auf, als Angehörige*r einer Minderheit so zu sprechen als wäre mensch in der Mehrheit, aufzuhören ständig sich selber zu erklären, aufzuhören das Gefühl zu haben für die ganze Gemeinschaft der jeweiligen Minderheit sprechen zu müssen und anzufangen frei zu sprechen.

„Sprache und Sein“ ist gut zugänglich geschrieben, unterhaltsam und voller spannender Gedankengänge der Autorin. Obwohl ein Sachbuch, schafft es die Autorin durch ihre Sprache und die vielen persönlichen Beispiele, auch nicht eine Zeile lang das Gefühl von trockener, staubiger Theorie aufkommen zu lassen. Wirklich sehr empfehlenswert.