Rezension Nr. 37

Amitav Ghosh – The Glass Palace

Roman – Harper Collins – 2000 – ISBN 9780006514091

„Yaar Arjun, think of where we`ve fallen when we start talking of good masters and bad masters. What are we? Dogs? Sheep? There are no good masters and bad masters, Arjun – in a way the better the master, the worse the condition of the slave, because it makes him forget what he is…“

Ich möchte die Rezension mit diesem Zitat beginnen. Es steht sinnbildlich für so Vieles, was in diesem Buch zwischen den Zeilen und manchmal ganz deutlich geschrieben steht. Aber ich fange mal vorne an. Um was geht es in diesem Buch? 

Es ist ein Roman, der über ein Jahrhundert zwischen den 1880ern bis in die 1990er Jahre spielt. Er erzählt die Geschichte von drei Familien in drei Generationen in (ich verwende die damaligen Namen, wie sie im Buch gebraucht werden) Burma, Indien und Malaya. Die Geschichte ist eine Geschichte über Liebe, Krieg, Migration und Familie und wird deshalb auch als der „Doktor Schiwago des fernen Osten“ auf dem Cover angepriesen. Bis auf die Königin und den König von Burma und deren Töchter sind die Figuren fiktiv. Und doch werden sie so lebendig dargestellt, dass mensch sie am liebsten auf Wikipedia suchen möchte, um mehr über sie zu erfahren. 😉

Aber es ist nicht allein die Geschichte, die erzählt wird. Nein, es sind wohl eher die Werte, die dem Buch seine Brillanz geben. Wieviele romantisierte und exotisierte Kolonialgeschichten wurden uns immer wieder aufgetischt und angepriesen? Genau das Gegenteil ist hier der Fall. Nicht nur die Frage des Militärs, wer kämpft eigentlich für wen, sondern auch die Stimme der Seite, der bisher kaum Gehör geschenkt wird, wird hier laut. Weshalb wohl wird Geschichte immer von den Sieger:innen geschrieben? Um all die Stimmen zum Schweigen zu bringen, die nicht in das vermeintlich ehrenhafte Weltbild passen. Diesen Stimmen gibt Amitav Ghosh in diesem Roman Raum. Völlig zu Recht wird er auf der Buchrückseite als einer der sympathischsten postkolonialen Autoren unserer Zeit bezeichnet.

Viel mehr bleibt mir gar nicht zu sagen. Ausser, dass ich begeistert war und das Buch verschlungen habe. Selten habe ich einen Roman gelesen, der die Werte, die mir bezüglich Geschichtsschreibung wichtig sind, so verinnerlicht hat. Endlich mal keine Kompromisse eingehen. 

Jammern auf sehr, sehr hohem Niveau: das einzige, was mich ein bisschen gestört hat, war die Genderaufteilung und welche „Biographie“ wie ausgegangen ist. Aber sonst?

Unbedingt lesen und geniessen!

Das Buch ist in der Lotte auf Englisch verfügbar.