Rezension Nr. 44

Susan Abulhawa – Against the loveless world

Roman – Bloomsbury – 2020 – ISBN 978-1-5266-1881-8

Das Buch ist auf Englisch in der Lotte verfügbar.

Die letzte Seite ist fertig gelesen, auch die Acknowledgements, das Buch ist durch, und nun? Es sind da diese Gedanken um die Ich- Erzählerin Nahr, um Bilal, um deren Familien und das Land. Es bleibt erst einmal die Ruhe und dann all diese Fragen.

Abulhawa erzählt die Geschichte von Nahr, einer jungen Palästinenserin, die in Kuwait aufwächst, fliehen muss, sich Stück für Stück radikalisiert, nach Palästina zurückkehrt, im Widerstand („oder was Israel Terrorismus nennt“) kämpft und schliesslich in einem Gefängnis in Israel landet, wo sie ihre Erinnerungen aufschreibt.

Dieses literarische Werk ist eine Reise durch das derzeitige und vergangene Leben der Hauptfigur. Im Kern ist es eine Liebesgeschichte, eine Familiengeschichte. Aber es ist viel mehr als das. Es ist der Einblick in eine Welt mit starken, muslimischen Frauenfiguren, Sexarbeit, Flucht, gesellschaftlichen Normen, Freund:innenschaft, Homosexualität, ein Einblick in die Zerrissenheit in einer solch aussichtslosen Situation wie der Israelisch- Palästinensischen. Abulhawa schafft es dabei, die Lesenden in Nahrs Gedankenwelt eintauchen zu lassen, ohne wieder auftauchen zu wollen – ich habe das Buch verschlungen und konnte es kaum weglegen.

Das 11- seitige Glossar zu Beginn des Buches hilft ausserdem, das Verständnis für all die arabischen Begriffe, die im Buch vorkommen, zu vereinfachen.

Und doch bleibt da dieser Zweifel: das Buch ist gespickt von Israelkritik bis hin zu antisemitischen Aussagen eines Charakters im Buch. Wie ist damit umzugehen? Nachdem ich das Buch gelesen hatte, habe ich die Wikipedia Seite zu Susan Abulhawa gelesen. Dort steht, dass sie Gründungsmitglied von BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) sei. (Zur BDS haben wir ein anderes Buch in der Lotte, das genauso tendenziös geschrieben ist, nur von anti-deutscher Sicht her, daher am besten beide Bücher lesen…) Damit fiel es mir einfacher, das Buch einzuordnen.
Und ja, auch wenn das Buch tendenziös geschrieben ist und ein Charakter antisemitische Aussagen macht, so überwiegt bei mir doch die Freude darüber, endlich muslimische Frauenfiguren als handelnde Subjekte und nicht als Objekte zu lesen. Dass Sexarbeit auf eine nicht bevormundende Art und Weise dargestellt wird. Dass Fluchtgeschichte „von Innen“ erzählt wird.

Abulhawa schreibt am Ende, dass das Buch auf eigenen Erfahrungen, Nachforschungen und Erfundenem basiert. Dabei möchte sie einen Raum der Dankbarkeit schaffen, allen „Mädchen (und Jungen) und Frauen, die ihre Körper verkaufen um zu überleben, oder zu entfliehen, oder Dämonen weiterzutragen, die nicht vertrieben werden können.“

„Reads as a riot act against oppression, misogyny, and shame“ schreibt Fatima Bhutto auf dem Buchrücken, dem bleibt nicht viel hinzuzufügen, ausser: unbedingt lesen!