Comic-Lesung ‚abfackeln‘ diesen Freitag (24.3.) im Sentitreff

Diesen Freitag!! (24.3)

Comic-Lesung ‚abfackeln’/’firebugs‘ mit Nino Bulling und Bär Kittelmann
19 Uhr
Sentitreff, Baselstrasse 21, Luzern

Nino Bullings Arbeiten bewegen sich im Grenzbereich zwischen Dokumentarismus und spekulativer Fiktion und erkunden die Möglichkeiten realitätsbasierter Bilderzählung jenseits realistischer Darstellungsweisen. Bär Kittelmann stellt als interdisziplinärer Künstler im eigenen Arbeitsprozess Spass radikal an erste Stelle und ist wenig interessiert an Regeln und Grenzen. Ein spielerischer genreübergreifender Stil spiegelt die Herangehensweise an die gelebten Erfahrungen als Schwarze, queere Trans-Person wider.

Rezension Nr. 40

Amitav Ghosh – The Nutmeg´s Curse – Parables for a Planet in Crisis
Sachbuch – John Murray – 2021 – ISBN 978-1-529-36943-4

Sprache: Englisch

Wie lässt sich so ein dichtes Buch in ein paar Zeilen abkürzen?

All die weltpolitischen Ereignisse der letzten fast 600 Jahre werden benannt und in Zusammenhang gebracht – ausgehend von der Covid Pandemie, Black Lives Matter, der sogenannten Migrationskrise, Militarismus, vor allem aber die Dynamiken der Klimakrise.

Als Ursache für ebendiese sieht Ghosh die jahrhundertealte geopolitische Weltordnung, die durch den westlichen Kolonialismus konstruiert wurde. So zeichnet Ghosh anhand der Muskatnuss eine Parabel für heutige Kriege und die Machtstrukturen der heutigen Welt.

Ghosh argumentiert, dass aufgrund der ab dem 16. Jahrhundert von Europa ausgehenden Mechanisierung der Welt und des Menschen, die allem ihren spirituellen Wert abspricht, um sie ausbeuten zu können, der Kern des Übels liegt. Laut diesem mechanistischen Weltbild existiert die Welt als passiv und ihre Ressourcen seien nur dafür da, vom Menschen ausgebeutet zu werden – unsere heutige „rationale“, aufgeklärte Weltsicht. Die heutigen Machthierarchien und die Ausbeutung der Welt setzt Ghosh in den Zusammenhang der Weltgeschichte und legt für jedes Kapitel ein Schwerpunktthema fest.

„The Nutmeg´s Curse offers a sharp critique of contemporary society and speaks to the profoundly remarkable ways in which human history is shaped by non- human forces.“ So liest es sich im Klappentext.

Und das gelingt Ghosh. Ich habe selten ein so dichtes Buch gelesen. Fussnoten, Bibliographie und Index umfassen 80 Seiten! Anhand der Bibliographie wird den Menschen, die das Buch lesen, die Möglichkeit gegeben, viel tiefer ins Thema einzutauchen. Das ist grossartig und werde ich sicher auch tun. Immer wieder dachte ich: Ja, genau!!! WOW!!! Und einmal sind mir fast die Tränen gekommen – in der Bewusstwerdung, wie sehr wir (europäisch sozialisierten) Menschen hier doch Kinder dieses furchtbaren, ausbeuterischen Weltbildes sind und wie auch ich es verinnerlicht habe, dass die Welt einfach „ist“. Nicht aktiv, nein, Menschen sind ja schliesslich die einzigen, die Sprache und Gefühle haben.

Immer wieder stellt Gosh indigenes Wissen in Kontrast zum westlichen Weltbild. Es ist schön zu lesen, dass er eine grosse Wertschätzung vielen Menschen entgegen bringt, die nicht westlich sozialisiert wurden und die ihr traditionelles Wissen erhalten haben.

Das einzige, was mir am Schluss zu denken gegeben hat: durch die Masse an Zusammenhängen, die gemacht werden, bleibt ein bisschen der Eindruck der Oberflächlichkeit. So werden unglaublich viele spannende Themen wie z.B. die Einhegungen in Europa, die Konterbewegung der Allmende, nur mit 2-3 Sätzen behandelt. Sicher ist es nicht möglich, zu all den erwähnten Bereichen viel mehr zu schreiben, sonst wäre es ein Opus Magnum geworden. Manchmal hätte ich mir nur mehr Hintergrund gewünscht.

Es ist ein Buch, das ich unbedingt empfehlen kann und das bei mir noch lange nachhallt.

Während des Lesens hatte ich stets ein Album im Kopf, für mich der Soundtrack zum Buch:
Kae Tempest „The Book of Traps and Lessons“ – wahnsinnig tolles Album. Würde das Buch verfilmt werden, „Exterminate all the brutes“ von Raoul Peck wäre die Verfilmung eines der Kapitel.

Rezension Nr. 39

Jessica Love – Julian ist eine Meerjungfrau
Bilderbuch – deutschsprachige Ausgabe – Knesebeck – 2020 – ISBN 978-3-95728-364-1

Auf dem Nachhauseweg trifft Julian zusammen mit seiner Oma auf Meerjungfrauen. Julian ist begeistert. Er liebt Meerjungfrauen und wäre am liebsten selber eine. Zuhause setzt er seine Idee in Tat um und wird zur Meerjungfrau, als plötzlich die Oma ins Zimmer kommt… Doch die reagiert ganz cool und macht Julian ein wunderbares Geschenk.

Die Illustrationen im Bilderbuch von Jessica Love sind einfach grossartig. Bunt, verspielt, zauberhaft – ohne albern zu sein. Auch der Plot ist ernst und trotzdem mit einer grossen Leichtigkeit umgesetzt.

Das Buch hat mich echt begeistert. Eine tolle Story über Genderrollen, Selbstvertrauen und Eigenliebe. Auch für Erwachsene sehr zu empfehlen.

24. März 2023 Comic-Lesung ‚firebugs‘ mit Nino Bulling und Bär Kittelmann (Sounds)

Freitag 24. März 2023
19 Uhr
Senti-Treff, Baselstrasse 21, 6003 Luzern

Die Graphic Novel «abfackeln» ist eine Geschichte über trans* Identität und Liebe in Zeiten fundamentaler Veränderung von Lebensräumen durch klimatische und ökologische Einflüsse. Das Buch versucht eine Auseinandersetzung damit, wie der Zusammenbruch unserer Lebensräume durch ökologische Katastrophen und soziale Erosion sich auf die kollektive und individuelle Psyche auswirkt. Zu gleichen Teilen hedonistisch und ergreifend und vor dem Hintergrund des Klimawandels angesiedelt, folgt die Graphic Novel «abfackeln» einem Paar, das sich durch die ambivalenten Erfahrungen von Geschlecht, Intimität, Körper und Verwandtschaft bewegt.

Die Graphic Novel erschien 2022 auf Deutsch bei Edition Moderne und in Englischer Fassung als ‹firebugs› beim Berliner Verlag Colorama.

Nino Bulling arbeitet als Comiczeichner und -autor in
Berlin. Er ist bekannt für politische Comics. Zuletzt erschien „Bruchlinien. Drei Episoden zum NSU“ bei Spector Books.

Bär Kittelmann ist interdisziplinärer Künstler, mit derzeitigem Fokus auf Sound- und Grafik Design, sowie Illustration. Ein spielerischer Genre übergreifender Stil ist Schlüssel zu seiner künstlerischen Praxis. 

Die Veranstaltung ist nicht im Tagespass Fumetto inbegriffen.
Eintritt: Kollekte

Die Lesung findet auf Englisch statt.

Rezension Nr. 38

Kätlin Kaldmaa/ Jaan Rõõmus – Lydia

Bilderbuch – Baobab Books Basel – 2022 – ISBN 978 3 907277 15 7

Wer ist Lydia?

Dieses schöne, in zwei ausgewählten Farben gehaltene Kinderbuch erzählt die Geschichte von Lydia Koidula. Hierzulande wohl eher unbekannt ist Lydia in Estland, woher das Buch stammt, wohlbekannt und geliebt und noch immer werden ihre Lieder gesungen.

So erzählt Kätlin Kaldmaa die Geschichte der aufgeweckten Lydia, wie sie zur Feder kam und für das Recht auf Selbstbestimmung kämpfte – wunderschön illustriert von Jaan Rõõmus. Doch nicht nur die Geschichte Lydias findet Platz in diesem Buch, sondern auch die bewegte Geschichte Estlands.

Kätlin Kaldmaa schafft es, diese spannende Biographie in Worte zu fassen, die für Klein und Gross verständlich und greifbar sind. Man folgt ihr von der Geburt in Vändra über ihre Kindheits- und Jugendjahre, in denen sie ihre Liebe zum Schreiben entdeckt bis ins Erwachsenenleben, in dem sie mehrere Gedichtbänder veröffentlicht, für die Zeitung schreibt, Theaterstücke übersetzt, Studienreisen unternimmt, für die Selbstbestimmung Estlands kämpft und, und, und…

Die liebevollen und detailreichen Illustrationen von Jaan Rõõmus laden zum Schauen und Träumen ein. Die Reduktion der Illustrationen auf zwei Farben geben dem Buch eine besondere Note, Jaan Rõõmus schaffte es mit diesen beiden stimmigen Farben dem Buch etwas Zauberhaftes zu verleihen.

Ich kann das Buch sowohl jungen als auch nicht mehr ganz jungen Menschen sehr ans Herz legen. Auch wenn es als Kinderbuch gedacht ist, ist es eine spannende und liebevoll illustrierte Biographie, die sich zu kennen lohnt. Das Buch macht gute Laune und ist empowernd. Es lohnt sich zu kämpfen!

Widerspruch lädt ein am Donnerstag, der 09. Februar im Senti-Treff zur Veranstaltung „Versteckte Täter:innen – Angriffe auf Familien“

Mit Büchertisch der Lotte-Bibliothek

Ort: Senti-Treff, Baselstrasse 21 – Zugang ist barrierefrei

Zeit: 20 Uhr

Von 1934-2002 wurden migrantische Arbeiterfamilien mit Statut A und teilweise auch B aus rassistischen Gründen ihrer Rechte beraubt, nach wie vor ist das für Sans-Papiers der Fall. Wie gingen, bzw. gehen die illegalisierten Familien damit um, was hat sich seit dieser Zeit getan, was muss sich noch ändern, und wie können wir die versteckten Täter:innen dahinter zur Rechenschaft ziehen?

Podiumsteilnehmende:
Paola de Martin, Präsidentin Verein Tesoro und Widerspruch-Autorin
Kelly Alves, Lehrende Restaurationsfachfrau und ehemalige Sans-Papiers
Barbara Hosch, Verantwortliche Öffentlichkeitsarbeit Kontakt- und Anlaufstelle Sans-Papiers Luzern
Ylfete Fanaj, SP-Kantonsrätin und Regierungskandidatin Kanton Luzern
Moderation: Redaktion Widerspruch

Rezension Nr. 37

Amitav Ghosh – The Glass Palace

Roman – Harper Collins – 2000 – ISBN 9780006514091

„Yaar Arjun, think of where we`ve fallen when we start talking of good masters and bad masters. What are we? Dogs? Sheep? There are no good masters and bad masters, Arjun – in a way the better the master, the worse the condition of the slave, because it makes him forget what he is…“

Ich möchte die Rezension mit diesem Zitat beginnen. Es steht sinnbildlich für so Vieles, was in diesem Buch zwischen den Zeilen und manchmal ganz deutlich geschrieben steht. Aber ich fange mal vorne an. Um was geht es in diesem Buch? 

Es ist ein Roman, der über ein Jahrhundert zwischen den 1880ern bis in die 1990er Jahre spielt. Er erzählt die Geschichte von drei Familien in drei Generationen in (ich verwende die damaligen Namen, wie sie im Buch gebraucht werden) Burma, Indien und Malaya. Die Geschichte ist eine Geschichte über Liebe, Krieg, Migration und Familie und wird deshalb auch als der „Doktor Schiwago des fernen Osten“ auf dem Cover angepriesen. Bis auf die Königin und den König von Burma und deren Töchter sind die Figuren fiktiv. Und doch werden sie so lebendig dargestellt, dass mensch sie am liebsten auf Wikipedia suchen möchte, um mehr über sie zu erfahren. 😉

Aber es ist nicht allein die Geschichte, die erzählt wird. Nein, es sind wohl eher die Werte, die dem Buch seine Brillanz geben. Wieviele romantisierte und exotisierte Kolonialgeschichten wurden uns immer wieder aufgetischt und angepriesen? Genau das Gegenteil ist hier der Fall. Nicht nur die Frage des Militärs, wer kämpft eigentlich für wen, sondern auch die Stimme der Seite, der bisher kaum Gehör geschenkt wird, wird hier laut. Weshalb wohl wird Geschichte immer von den Sieger:innen geschrieben? Um all die Stimmen zum Schweigen zu bringen, die nicht in das vermeintlich ehrenhafte Weltbild passen. Diesen Stimmen gibt Amitav Ghosh in diesem Roman Raum. Völlig zu Recht wird er auf der Buchrückseite als einer der sympathischsten postkolonialen Autoren unserer Zeit bezeichnet.

Viel mehr bleibt mir gar nicht zu sagen. Ausser, dass ich begeistert war und das Buch verschlungen habe. Selten habe ich einen Roman gelesen, der die Werte, die mir bezüglich Geschichtsschreibung wichtig sind, so verinnerlicht hat. Endlich mal keine Kompromisse eingehen. 

Jammern auf sehr, sehr hohem Niveau: das einzige, was mich ein bisschen gestört hat, war die Genderaufteilung und welche „Biographie“ wie ausgegangen ist. Aber sonst?

Unbedingt lesen und geniessen!

Das Buch ist in der Lotte auf Englisch verfügbar.

Rezension Nr. 36

Sharon Dodua Otoo – die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle

edition assemblage – 2013 – ISBN 978-3-942885-39-3

“die dinge, die ich denke während ich höflich lächle” ist die Geschichte der langsamen Zersetzung einer Ehe, sowie der Konsequenzen für Freund*innen, Kinder und nahe Verwandte. Es ist eine Geschichte über Liebe, über Trennungen und über Beziehungen, über Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, zwischen Liebenden, zwischen Freund*innen. 

Das mag jetzt banal klingen und diese Themen waren schon tausend mal Vorlagen für Liebes-Herz-Schmerz-Romane. Otoos Novelle hebt sich jedoch in mehrerer Hinsicht davon ab. 

Es gibt immer wieder Szenen, in denen die von der Ich-Erzählerin gelebte Erfahrung eine Schwarze Frau in Berlin zu sein, zum Vorschein kommt. Immer wieder drückt zusätzlich zu den Beziehungskrisen der alltägliche und strukturelle Rassismus durch, den die Ich-Erzählerin, ihre Kinder und Freund*innen in Deutschland erfahren.

Die Protagonist*innen erscheinen sehr vielschichtig, mensch kann sie nicht einfach in „gut und böse“ einordnen oder in „verlassenes Opfer“ und „verletzende Täter*innen“. So auch die Ich-Erzählerin, die von ihrem Ehemann verlassen wurde, was für sie eine äusserst schmerzhafte Erfahrung ist. Dieser Schmerz war für mich sehr spür- und nachvollziehbar. Jedoch vergisst die Ich-Erzählerin in ihrem Schmerz und ihrer Wut, auf andere Menschen, deren Gefühle und  Lebensrealitäten Rücksicht zu nehmen und tut etwas, das für ihre Mitmenschen äusserst harte Konsequenzen hat. Und das auch nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. 

Obwohl im Original auf Englisch, ist auch die deutsche Ausgabe sprachlich ganz toll! Vielleicht auch, weil die Übersetzerin und die Autorin eng miteinander befreundet sind und auch Otoo selbst an der Überarbeitung der deutschen Fassung mitbeteiligt war. Die Handlung hüpft immer wieder mal zwischen verschiedenen Orten und Zeiten hin und her, trotzdem konnte ich mühelos folgen und ich fand, dass dadurch einmal mehr die Vielschichtigkeit und Komplexität von Menschen, ihren Beziehungen untereinander und ihren jeweiligen Lebensrealitäten spürbar wurde.

Lotte goes Senti-Treff

Am 10.12. zieht die mobile LOTTE-BIBLIOTHEK in den Garten vom SENTITREFF ein.

Hier könnt ihr die nächsten 3 Monate vielfältige und spannende Romane, Sachbücher, Zeitschriften, Comics und Kinderbücher entdecken und ausleihen.

Am Samstag, den 10.12. um 15.00 Uhr laden wir euch zu einem Ankommens- und Kennenlern-Apéro ein.

Schaut doch mal rein, die Lotte freut sich über euren Besuch!

Leider müssen wir die Veranstaltung krankheitsbedingt absagen!!!

Lotte-Bibliothek und Co-Mix Remix präsentieren

Sonntags-Matinee

COMIC – LESUNG mit MARIJPOL

Sonntag, 27.November

16.00 (Doors open 15.30)

Ort: LOGE (Moosstrasse 26, 6003 Luzern)

‹Hort› erzählt von drei Frauen Ende dreissig, die in einer Wohngemeinschaft leben. Ihr Lebensentwurf orientiert sich nicht an Partnerschaften oder fruchtbaren Jahren, sondern an ihrer grösstmöglichen privaten und beruflichen Unabhängigkeit. Ihre aussergewöhnlichen Körper tragen die Frauen mit Selbstbewusstsein: Petra ist Bodybuilderin und extrem muskulös, Ulla ist riesig und dick und Denise hat mit einem Schlangenarm ihren Körper modifiziert. Ihr Aussehen widerspricht üblichen Normen von Schönheit und Weiblichkeit und bestimmt durch seine Besonderheit ihr Leben mit. Als die Freundinnen drei verlassene Kinder aus der Nachbarschaft kennenlernen, bewegen sich ihre Gefühle zwischen besorgter Fürsorglichkeit und steifer Befangenheit. Die Frauen sind keine typischen Mutterfiguren, dennoch fühlen sie sich für die Kinder zuständig …

Marijpol ist Illustratorin, Comiczeichnerin und Designerin. Ihre Arbeiten sind geprägt von einer Vielzahl von visuellen Stilen und narrativen Formaten. ‹Hort› ist ihr neuestes Werk und 09/22 erschienen.