NEUER STANDORT AB 8.7.23

Ab heute sind wir wieder vor der Industriestrasse 9.
Kommt vorbei und geniesst den wahrscheinlich letzten Sommer an der Industriestrasse mit uns.

Öffnungszeiten:
Dienstag und Mittwoch 18-20 Uhr
Samstag 10-12 Uhr

Voraussichtlich Mitte/Ende August zügeln wir dann wieder zurück zum Südpol.

Rezension Nr. 48

Peter Metz – Kaliszko. Mannheim, Sommer 1974

Roman – Edition H. Schroeder – 2021 – ISBN 978-3-9818262-8-9

Polizeigewalt als Kontinuität

Peter Metz Roman befasst sich auf sehr eindrückliche Weise mit den Ereignissen um den Tod des 23-jährigen Hannes Kaliszko, welcher am 17. Juli 1974 von einem Polizisten getötet wurde.

Der Roman setzt sich auf sehr feinfühlige und prägnante Weise mit der Position der betroffenen Familie auseinander und zeigt auf, wie von staatlicher Seite eine Schuldumkehr lanciert wird. Dahingehend gelingt dem Autor durch die asynchrone Erzählweise ein pointierter Einblick in die Lebensrealitäten und sozialen Zustände, sowie der gesellschaftliche Stimmung des Mannheim in den 1970ern und ermöglicht die Einbettung der Geschichte des betroffenen Hannes Kaliszko und dessen Familie, Freund*innen und Kolleg*innen in den gesellschaftspolitischen Gesamtkontext. Dabei schafft es der Autor nah am Geschehen und den Menschen zu sein ohne dabei voyeuristisch zu wirken.

Das Thema Polizeigewalt klingt an, da es auch heute allgegenwärtig ist. Gerade aus dieser Sicht ist der Roman beeindruckend und empfehlenswert. Die Kontinuitäten von Repression, Polizei- sowie Staatsgewalt werden spürbar und begreifbar. Und der Roman zeigt auf welchen Einfluss Klasse und Herkunft der betroffenen Menschen auf den Diskurs um Verantwortung und Schuldumkehr haben.

Das ist meines Erachtens der grösste Gewinn des Roman: das dieser uns vor Augen führt wie unverändert sich gesellschaftliche Zustände zeigen. Dahingehend kann der Roman auch als Plädoyer verstanden werden gegen diese Zustände immer wieder und fortwährend Aufzubegehren!

Rezension Nr. 47

Yu Pei-yun und Zhou Jian-xin – Tsai Kun-Lin, Der Junge, der gerne las

Graphic Novel aus Taiwan – Baobab Books – 2023 – ISBN 9783907277171

Ich wusste es schon, bevor ich das Buch angefangen habe zu lesen: es ist der 1. Band einer vierteiligen Serie, Band 2 und 3 sollen im Herbst 2023 erscheinen, Band 4 im Jahr 2024. Und doch bin ich wieder «reingefallen»- natürlich wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht. Es ist wie eine Serie, die mensch nicht zu Ende schauen kann. Die Spannung bleibt. So muss ich mich also gedulden, bis die nächsten Bände erscheinen. Schwierig… 😉

Aber erstmal von vorne.

Yu Pei-yun und Zhou Jian-xin sind die beiden Autor:innen/ Zeichner:innen dieser Graphic Novel aus Taiwan. Sie erzählen die Geschichte von Tsai Kun- Lin, geboren in eine taiwanische Familie im Jahr 1930. Zu diesem Zeitpunkt war Taiwan schon über 30 Jahre japanische Kolonie. Im Alter von 5 Jahren überlebt er ein schweres Erdbeben, das einen Grossteil der Insel und das Haus der Familie Tsai zerstört. Einige Jahre später macht auch der 2. Weltkrieg nicht halt vor der Insel, die immer wieder Schauplatz der imperialistischen Mächte wurde. Wieder ergreift ein fremdes Regime die Macht auf der Insel. Und nun kommt es zum Höhepunkt dieses Bandes, der den Spannungsbogen hoch hält und die Lesenden in grosser Erwartung der nächsten Bände zurück lässt.

Die Biographie ist sehr sensibel und wunderschön erzählt. Das Buch ist in Grautönen und Rosa gehalten, zurückhaltende Farbgebung mit grossem Feingespür für die Momente zwischen den Zeilen. Die Zeichnungen sind Kunstwerke, die zum Träumen und Anschauen einladen. Die Seiten kreativ und stimmig choreographiert. Die Schwierigkeit, die drei Sprachen, die im Buch gesprochen werden, auch im Deutschen darzustellen, wurde durch unterschiedliche Schriftfarben gut gelöst.

Ich hab das Buch ausgepackt und wollte nur kurz rein schauen – schon war ich gefangen in dieser Welt vor fast 100 Jahren am anderen Ende der Welt, von der hier so wenig Geschichte bekannt ist. Mich hat das Buch auf vielen Ebenen fasziniert: Die Gestaltung und die Zeichnungen sind wunderschön und haben mich tief berührt, die Übergänge zwischen den einzelnen Bildern sind sehr gelungen. Aber auch die Art, wie die Geschichte erzählt wird, erschwert es, das Buch vor dessen Ende aus der Hand zu legen. Mich hat es dazu gebracht, die Geschichte der Region zu recherchieren – die Idee von Baobab Books hat sich also mal wieder erfüllt.

Der Verlag Baobab Books hat sich darauf spezialisiert Bilderbücher, Kindergeschichten und Jugendromane aus aller Welt in deutscher Übersetzung zu verlegen, zur Förderung kultureller Vielfalt in der Kinder- und Jugendliteratur. Mit diesem Schmuckstück aus Taiwan haben sie einmal mehr ihr gutes Gespür bewiesen, spannende und in diesem Fall auch wunderschöne Literatur aus einem Land, das in unseren Büchergestellen nicht grossflächig repräsentiert ist, im deutschsprachigen Raum sichtbar zu machen. Ein herzliches Dankeschön für diese tolle und wichtige Arbeit. Das Buch kann ich nur empfehlen und ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht :).

Kurze Vorschau: Band 2 soll im Herbst 2023 erscheinen, Band 3 2024 🙂

Rezension Nr. 46

Taiye Selasi – Ghana must go
Roman – Penguin Fiction – 2013 – ISBN 978-0-670-91988-8

Das Buch ist auf Englisch in der Lotte verfügbar.

Selasi erzählt die Familiengeschichte der Sais, einer nigerianisch – ghanaischen Familie, die in den USA lebt. Durch eine Ungerechtigkeit und Scham wird sie auseinander gerissen, über den Erdball verteilt und erst durch den Tod des Vater, viele Jahre später, wieder zusammen gebracht. Die zerrissenen Strukturen, die die Familie über lange Zeit geprägt haben, kommen ans Licht und die Frage ist, ob Heilung möglich ist.

Der Plot ist nicht aussergewöhnlich. Selasi erzählt eine bewegte Familiengeschichte von innen und wie die unterschiedlichen Charaktere mit den Herausforderungen des Lebens und ihrer persönlichen Geschichte umgehen. Dabei springt sie erzählerisch zwischen den Familienmitgliedern hin und her, sodass in die Gedankenwelt der einzelnen Protagonist:innen eingetaucht werden kann.

Das Buch hat mich nur zu 98% gepackt, da mich der literarische Schreibstil manchmal von der Geschichte ferngehalten hat. Und doch bin ich voll in die Geschichte um Olu, Taiwo, Kehinde, Sadie und Fola eingetaucht. Selasi schafft es gut, ein Bild einer Familie zu zeichnen, in dem die Geschwister sich für unterschiedliche Lebensentwürfe entscheiden und der Umgang mit der eigenen Herkunft ganz verschieden ist.

Es ist ein scheues: Ja, es lohnt sich dieses Buch zu lesen. Irgendwie spannend, aber ein bisschen Zweifel bzgl. des Schreibstils bleiben. Aber das ist ja bekanntlich
Geschmackssache 🙂

PODIUM: Kolonialismus und Widerstand

Di 27.06.2023 19:30- 21:30
Lotte Bibliothek und Luzern Postkolonial laden ein zur Podiumsdiskussion mit

Ruveni Wijesekera, Sozialanthropologin
Dr. des. Claudia Wilopo, Kulturwissenschaftlerin
Angie Addo, antirassistische Aktivistin
Dr. Manuel Menrath, Historiker

Kolonialismus schuf und festigte über Jahrhunderte eine globale Dominanz des sogenannten „Westens“. Die Schweiz spielte dabei als motivierte Komplizin gerne mit. Koloniale Herrschaft wurde aber von Beginn an nicht einfach erduldet und ertragen. Es gibt eine lange Geschichte der Widerstände dagegen.
In der Podiumsdiskussion „Kolonialismus und Widerstand“ diskutieren Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft über die Durchsetzung der kolonialen Herrschaft und Formen des Widerstands bis heute.

Bei schönem Wetter bei der Buvette, ansonsten in der Shedhalle.

Eintritt: Kollekte
Sprache: Deutsch
Rollstuhlgängig

COMIC Lesung mit Vinz Schwarzbauer: „MÄANDER“

6.6.23 – 19 Uhr – Figurentheater, Industriestrasse 9, Luzern
Eintritt: Kollekte
Sprache: Deutsch
Barrieren: Der Eingang hat mehrere Stufen. Kontaktiere uns gerne unter hallo@lotte-bibliothek.org um zusammen eine Lösung zu finden.

«In seinem bewegenden Début erzählt Vinz Schwarzbauer, was es bedeutet, als Minderheit in einem fremden Land aufzuwachsen. Die Grossmutter des Autors fand nach dem Ungarn-Aufstand von 1956 eine neue Heimat in Österreich, ihre Schwester wanderte nach Kanada aus, wo ihr Sohn mit einer indigenen Frau der Anishinabek eine Familie gründete. Der Versuch, sich dort zurechtzu­finden, war mit vielen Irrungen und Wirrungen verbunden, und die Familie, die zwischen verschiedenen Kulturen oszillierte, hatte mit allerlei Vorurteilen zu kämpfen. In Mäander fängt Schwarzbauer diese ungemein vielschichtige Geschichte mit ergrei­fenden und stimmungsvollen Zeichnungen ein. Es sind Bilder, die den Lesenden noch lange in Erinnerung bleiben werden.» — Viken Berberian, Co-Autor von „Marode Substanz, Genosse!“. 

Die Graphic Novel hat zwei Erzählebenen: Eine zeigt die Erinnerungen der drei Hauptfiguren, die der Autor über ihre Fluchterfahrung und ihr Leben in Ungarn und Kanada interviewt. Die zweite Ebene erzählt von der Reise, die der Autor nach Kanada unternimmt, um die Familienbiografie zu rekonstruieren. Die beiden Ebenen unterscheiden sich auch formal. So ist die Suche und Reise des Autors mit Tusche gemalt, die Interview-Episoden hingegen sind aufgerastert, sowie Text und Bild räumlich voneinander getrennt. Damit wird implizit die zeitliche, geografische und inhaltliche Distanz zwischen dem Erlebten, dem Erzählten (Oral History), dem Gehörten und dem Vorgestellten thematisiert.

Vorlesetag wegen Regen ABGESAGT!

Leider müssen wir wegen des Regens den heutigen Vorlesetag absagen. Das macht uns sehr traurig. Aber wir schmieden schon Pläne, wie wir das vielleicht nachholen können. Wir halten euch auf dem Laufenden!

Rezension Nr. 45

Tore Rørbæk, Mikkel Sommer – Shingal. Flucht vor dem Genozid

Comic – bahoe books – 2020 – ISBN 978-3-903290-39-6

Der Comic „Shingal“ von Tore Rørbæk und Mikkel Sommer erzählt die Geschichte von den Brüdern Mazlum und Asmail, die im Sommer 2014 um ihr Leben und das ihrer Familien kämpfen. Zusammen mit tausenden anderen Jesid*innen fliehen sie vor dem Islamischen Staat (IS) auf den Berg Shingal. Über 50‘000 Menschen harren schliesslich auf dem Berg unter freiem Himmel aus, bei Temperaturen bis zu 50 Grad, ohne Wasser, ohne Schatten.

Das Buch erzählt die Geschichte des Genozids an den Jesid*innen, begangen durch den IS im Sommer 2014 auf irakischem Staatsgebiet. Es ist der bislang einzige von der UNO anerkannte Genozid im 21. Jahrhundert. Schätzungen zufolge wurden rund 5‘000 Menschen ermordet, zwischen 6‘000 und 7‘000 Frauen und Kinder entführt und rund 400‘000 Menschen vertrieben.

„Shingal“ erzählt diese grauenhafte und traurige Geschichte mit eindrucksvollen Bildern in satter Farbe. Am Schluss des Buches findet sich ein Nachwort von Thomas Schmidiger, in diesem finden sich noch zusätzliche Informationen zum Genozid, zur jesidischen Religion, zu antijesidischen Ressentiments, sowie ein kurzer Abschnitt zu Jesid*innen in Europa.

Und wie es auch in eben diesem Nachwort heisst: „Diese Geschichte muss […] erzählt werden, nicht nur um sie nicht zu vergessen, sondern auch, weil für die Überlebenden ihre Qualen bis heute andauern. Nur ein Teil der Vertriebenen konnte bislang in ihre Heimat zurückkehren. […] Möge diese […] Graphic Novel von Tore Rørbæk und Mikkel Sommer dazu beitragen, dass die Verfolgungsgeschichte der Jesid[*inn]en auch im deutschsprachigen Raum einem grösseren Publikum nahe gebracht wird.“


PODIUM Kolonialismus und Widerstand

„Luzern postkolonial“ und „Lotte Bibliothek“ laden ein zum Podium

KOLONIALISMUS UND WIDERSTAND

mit
Angie Ado, Dr. Manuel Menrath, Ruveni Wijesekera (Moderation) und Dr. des. Claudia Wilopo.

Mehr Infos folgen bald, schon mal den Abend frei halten!

Dienstag 27.06.23 19:30 Uhr im Südpol
Barrierefrei zugänglich

Lotte und Südpol laden ein zum Vorlesetag am 24.05.

Lotte Bibliothek und Südpol laden ein zum Vorlesetag am 24.05.2023 von 15- 18 Uhr für alle Menschen, aber insbesondere für solche von 4-9 Jahren. Es gibt spannende Bücher auf arabisch, deutsch, englisch, georgisch und portugiesisch. Nur wenn es nicht regnet! Infos dazu auf www.lotte-bibliothek.org oder www.sudpol.ch. Wir freuen uns auf euch! Eintritt frei!

Mehr Infos folgen bald!

https://schweizervorlesetag.ch/de/veranstaltungen/public-detail/2036/?rt=map&zoom=12&lat=47.0341978&lng=8.277255199999999&st=0&et=0&sa=1&ea=16&sn=